Dr. Jens Biederer
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Wer Zahlungen von einem Schuldner erhält, muss unter bestimmten Voraussetzungen damit rechnen, dass diese Zahlungen später zurückgezahlt werden müssen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Hierin liegt ein erhebliches Risiko für jeden im Geschäftsverkehr aktiven Unternehmer. Das für diese Fragen maßgebliche Insolvenzanfechtungsrecht soll jetzt – voraussichtlich ab Sommer 2015 - in mehreren relevanten Punkten geändert werden.
NEU! Der Anwendungsbereich der Anfechtung wegen inkongruenter Deckung (d. h. der Gläubiger erhält eine Sicherheit oder Befriedigung, die er so nicht beanspruchen konnte) war bislang weit. So waren Leistungen, die der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung oder das Androhen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erhalten hat, inkongruent.
Wenn also z. B. der Gerichtsvollzieher im zweiten Monat vor dem Insolvenzantrag einen bestimmten Betrag oder einen werthaltigen Gegenstand beim Schuldner pfänden konnte, konnte der Insolvenzverwalter die Anfechtung erklären und den Betrag zurückfordern, auch wenn der Gläubiger nicht damit gerechnet hatte, dass der Schuldner zahlungsfähig war. Dadurch konnte sich auch ein Gläubiger, der an sich guten Glaubens war, mit dem Rückforderungsanspruch des Insolvenzverwalters konfrontiert sehen.
Hier setzt nun eine der Änderungen an: Eine Rechtshandlung ist nicht mehr allein deshalb anfechtbar, weil der Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirbt. Dadurch sollen Arbeitnehmer und mittelständische Unternehmen, die ihre Forderungen eingeklagt haben, geschützt werden. Anfechtbar sind solche Deckungen zukünftig nur noch unter den strengeren Voraussetzungen des § 130 InsO (sog. kongruente Deckung), d. h. wenn der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder Umstände, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, kannte.
Bestehen bleibt hingegen die sogenannte Rückschlagsperre gemäß § 88 Insolvenzordnung. Danach werden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in dem Zeitraum von einem Monat vor Insolvenzantrag automatisch unwirksam, ohne dass es der Anfechtung bedarf.
Ein weiterer praxisrelevanter Anfechtungstatbestand ist die Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 InsO. Danach konnte bisher eine Rechtshandlung des Schuldners innerhalb von zehn Jahren angefochten werden, wenn der Schuldner Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hatte und der Gläubiger dies wusste. Ausreichend für den Benachteiligungsvorsatz ist, dass der Schuldner es zumindest für möglich hält, dass er nicht alle Gläubiger in angemessener Zeit befriedigen kann. Kennt er seine Zahlungsunfähigkeit, kann daraus regemäßig auf den Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden.
NEU! Nach dem zukünftigen Recht soll die Vorsatzanfechtung eingeschränkt werden:
Eine weitere relevante Einschränkung des Anfechtungsrechts gilt für sogenannte Bargeschäfte (§ 142 InsO). Bereits jetzt ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur unter den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung anfechtbar.
NEU! In Zukunft wird im Gesetz ausdrücklich geregelt, dass ein unmittelbarer Leistungsaustausch bei Arbeitsverhältnissen vorliegt, wenn zwischen dem Zeitraum, für den der Arbeitnehmer Bezahlung geltend macht, und der Auszahlung des Arbeitsentgelts nicht mehr als drei Monate liegen. Damit sind Arbeitnehmer weitgehend vor Rückforderungsansprüchen des Insolvenzverwalters geschützt.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Bild: © Shutterstock / wavebreakmedia