Arbeitsrechtliche Folgen und Möglichkeiten

Das Corona-Virus hält uns alle in Bann und greift nachhaltig in alle Bereiche des privaten, des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens ein. Dabei stellt sich eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Fragen. Diverse Fallkonstellationen sind Neuland, so dass es teilweise noch gar keine abschließenden rechtlichen Bewertungen und Anhaltspunkte durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung gibt.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Partner-Beitrag von Ingolf F. Kropp —

Das Corona-Virus hält uns alle in Bann und greift nachhaltig in alle Bereiche des privaten, des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens ein. Dabei stellt sich eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Fragen. Diverse Fallkonstellationen sind Neuland, so dass es teilweise noch gar keine abschließenden rechtlichen Bewertungen und Anhaltspunkte durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung gibt.

Unsere Stellungnahme geben wir nach bestem Wissen. Eine Gewähr für die Richtigkeit können wir indessen nicht übernehmen, zumal diverse arbeitsrechtliche Fragen in dieser aktuellen Konstellation bisher noch gar nicht geklärt sind. Jede Aussage ist daher grundsätzlich auch immer wieder zu hinterfragen und zu aktualisieren.


1. Pflicht zur Arbeitsleistung


Die Pflicht zur Arbeitsleistung besteht nach wie vor und wird durch den Corona-Virus grundsätzlich auch nicht berührt. Es gibt daher keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich seiner Arbeitsleistung, selbst wenn sich die Ansteckungsgefahr auf dem Arbeitsweg oder bei der Arbeit direkt erhöhen sollte.


2. Mitteilungspflichten des Arbeitnehmers

Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, Auskunft über Art und Symptome seiner Erkrankung zu erteilen. Im Einzelfall kann indessen aus dem Grundsatz der Treuepflicht des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber gegenüber eine weitergehende Auskunftsverpflichtung bestehen, um Schaden von dem Unternehmen und der Mitarbeiterschaft abzuwenden.

Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, den Arbeitnehmer beim Urlaubsantritts oder Urlaubsrückkehr zu seinen konkreten Reisezielen zu befragen. Er kann indessen – praktisch im Rahmen einer Negativauskunft – den Arbeitnehmer befragen, ob sein Reiseziel in einer gefährdeten Region mit einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko lag bzw. liegt.


3. Home-Office

Sofern keine arbeitsvertragliche Vereinbarung vorliegt, können weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer die Arbeit im Home-Office verlangen. Es ist indessen für alle Beteiligten sinnvoll, Einvernehmen über eine Home-Office-Regelung zu erzielen. Eine solche Regelung dient dem Arbeitnehmer, da sich dadurch das Infektionsrisiko verringert und auch flexiblere Arbeitszeiten möglich sind, um beispielsweise die Betreuung von Kindern zu gewährleisten. Es dient gleichzeitig aber auch dem Arbeitgeber, da dadurch die Arbeitskraft dem Unternehmen erhalten bleibt.


4. Kurzarbeit

Der Corona-Virus führt dazu, dass Produktionen mangels notwendiger Lieferungen still stehen, die Schließung einzelner Betriebe oder aber flächendeckend von Betrieben bestimmter Branchen durch die Behörde angeordnet wird. Eine volle oder sogar auch nur teilweise Beschäftigung der Arbeitnehmer ist daher oft nicht mehr möglich. Der Arbeitgeber trägt auch insoweit grundsätzlich das Betriebsrisiko, muss daher in den meisten Fällen trotz fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten weiterhin die Vergütung leisten.

4.1. Kurzarbeit nach bisherigem Recht

Zur Verringerung dieser erheblichen wirtschaftlichen Belastungen hat der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Kurzarbeit einzuführen und bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld zu beantragen.

Unter dem arbeitsrechtlichen Aspekt ist Grundvoraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeit, dass hierüber eine Regelung mit dem Arbeitnehmer getroffen worden ist bzw. getroffen wird. Die Kurzarbeit muss daher entweder im Arbeitsvertrag bereits enthalten sein oder aber durch einen anwendbaren Tarifvertrag ermöglicht werden. In Betrieben mit einem Betriebsrat kann über die Kurzarbeit auch eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Sofern vorab keine entsprechenden Regelungen oder Vereinbarungen getroffen worden sind, ist es in der konkreten Situation möglich und auch notwendig, mit dem Arbeitnehmer eine konkrete Vereinbarung über die Durchführung der Kurzarbeit zu schließen. Die Agentur für Arbeit verlangt die Vorlage einer solchen vertraglichen Regelung oder aber konkret abgeschlossenen Vereinbarung.

Kurzarbeit kann auf Antrag des Arbeitgebers gewährt werden, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, zugleich lediglich vorübergehender Art und unvermeidbar ist.

Die Anzeige der Kurzarbeit hat bei der örtlich für den Betrieb zuständigen Bundesagentur für Arbeit zumindest in Textform (Antragsformular unterschrieben per Fax oder eingescannt per E-Mail) spätestens bis zum Ende des Monats zu erfolgen, in dem die Kurzarbeit begonnen wurde. Anhand der Anzeige erfolgt eine Grundsatzprüfung der Bundesagentur für Arbeit über die Genehmigung der Kurzarbeit mit anschließenden Bescheid. Der Arbeitgeber zahlt das Gehalt für die tatsächlich geleistete Arbeit sowie das von ihm errechnete Kurzarbeitergeld am Ende des Monats aus. Sodann beantragt er bei der Bundesagentur für Arbeit für den jeweiligen Kalendermonat das Kurzarbeitergeld, welches von der Bundesagentur für Arbeit an ihn ebenfalls frühestens zum Ende des beantragten Monats ausgezahlt wird. Dieser Antrag muss spätestens 3 Monate nach Ablauf des Monats, für den er gezahlt werden soll, gestellt werden. Dies bedeutet, dass der Antrag auf Kurzarbeitergeld für den Monat März 2020 spätestens bis zum 30. Juni 2020 gestellt sein muss.

Ergänzend verweisen wir auf das ausführliche Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit zur Kurzarbeit gemäß nachfolgendem Link

https://www.arbeitsagentur.de/datei/merkblatt-8b-kurzarbeitergeld_ba015388.pdf

sowie auf den auf die entsprechende Website führenden Link:

https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-bei-entgeltausfall


4.2. Kurzarbeit nach aktualisiertem Recht

Das "Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld", sieht die nachfolgend skizzierten Maßnahmen vor, die laut veröffentlichter Mitteilung der Bundesregierung vom 16.03.2020 rückwirkend zum 01. März 2020 in Kraft treten sollen. Im Einzelnen:

  • Wenn auf Grund schwieriger wirtschaftlicher Entwicklungen Aufträge ausbleiben, kann ein Betrieb Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein könnten. Diese Schwelle liegt bisher bei einem Drittel der Belegschaft.
  • Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes soll vollständig oder teilweise verzichtet werden können. Das geltende Recht verlangt, dass in Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt und ins Minus gefahren werden.  
  • Die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber normalerweise für ihre Beschäftigten auch bei Kurzarbeit weiter zu zahlen haben, soll die Bundesagentur für Arbeit künftig vollständig erstatten. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Zeiten der Kurzarbeit stärker für die Weiterbildung der Beschäftigten zu nutzen.
  • Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können künftig Kurzarbeitergeld beziehen.


Im folgenden Link erhalten Sie aktuelle Informationen in Hinblick auf das Kurzarbeitergeld.

https://www.arbeitsagentur.de/news/corona-virus-informationen-fuer-unternehmen-zum-kurzarbeitergeld


5. Zahlungspflicht in den Fällen der – nicht krankheitsbedingten – Abwesenheit  von  Arbeitnehmer

Hierbei geht es um mehrere Konstellationen, nämlich um eine von der Behörde angeordnete Quarantäne eines (noch) gesunden Arbeitnehmers, die Abwesenheit eines Arbeitnehmers aufgrund der Betreuung eines Kindes wegen Schließung der Betreuungseinrichtung, ein behördliches Tätigkeitsverbot gegenüber einem oder mehreren Arbeitnehmern, die Schließung eines Betriebes oder aber die flächendeckende Schließung von Betrieben bestimmter Branchen durch die Behörde.

Das Gesetz (§ 616 BGB) sieht grundsätzlich vor, dass ein Arbeitnehmer bei vorübergehenden Verhinderung seinen Anspruch auf Lohn behält – indessen nur dann, wenn „er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund und ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn das Kind erkrankt ist und der Betreuung bedarf.

Die Vorschrift des § 616 BGB ist indessen abdingbar. Dies bedeutet, dass die Anwendung von § 616 BGB im Arbeitsvertrag oder aber auch in einem anwendbaren Tarifvertrag wirksam in großen Teilen ausgeschlossen werden kann mit der Folge, dass ein Anspruch auf Vergütung  nach § 616 BGB gar nicht entsteht.

Sofern § 616 BGB grundsätzlich zur Anwendung kommt,  ist streitig, ob wie und in welchem Umfang diese Regelung auf die vorher genannten Konstellationen anwendbar ist. Im Einzelnen:

5.1. Schließung der Betreuungseinrichtung (Kindergarten, Schule etc.)

Der Gesetzgeber hat diese Frage nun mit Wirkung ab dem 30.03.2020 zum Glück durch Einführung des neuen § 56 (1a) IfSG beantwortet und einen Erstattungsanspruch der betroffenen Arbeitnehmer gegenüber dem Staat geschaffen, welcher der Höhe nach mehr oder weniger dem Arbeitslosengeldanspruch entspricht und für längstens sechs Wochen gezahlt wird.

Voraussetzungen zur Gewährung der Entschädigung sind danach

  • eine behördliche Schließungsanordnung oder ein behördliches Betretungsverbot einer Kinderbetreuungseinrichtung bzw. Schule, die aus Anlass einer Infektion bzw. zu deren Verhinderung erfolgt,
  • wobei der Anspruchssteller erwerbstätig und
  • für mindestens ein unter zwölfjähriges bzw. behindertes Kind sorgeberechtigt sein muss
  • sowie aufgrund der nunmehr durch ihn selbst vorgenommenen Kinderbetreuung
  • einen Verdienstausfall erleidet und es
  • keine anderen zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten gibt und der Zeitraum außerhalb der Schulferien liegt.

Es verhält sich daher in diesen Fällen so, dass der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit zu erscheinen braucht, vom Arbeitgeber jedoch keine Vergütung erhält, sondern stattdessen einen Entschädigungsanspruch nach oben genannter Vorschrift besitzt.



5.2. Tätigkeitsverbot gegenüber einem oder mehreren Mitarbeitern

Sofern das Tätigkeitsverbot gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer auf der Basis des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erfolgt, können seinerseits Ansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, dem Infektionsschutzgesetz und § 616 BGB bestehen. Einzelheiten können den Ausführungen unter den Ziffern 6.1., 6.3. und 6.4. entnommen werden.

5.3. Behördliche Schließung von Betrieben

Es kann auf die Ausführungen unter Ziffer 6.2. verwiesen werden.

6. Unter welchen Voraussetzungen erhalten Unternehmen Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)?

6.1. Abgesehen davon, dass aufgrund der bislang äußerst seltenen Anwendungsfälle dieser gesetzlichen Vorschrift vieles diesbezüglich noch ungeklärt ist, bestehen Ansprüche einzelner Mitarbeiter nach folgenden Grundsätzen:

Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.

Der gesetzliche Entschädigungsanspruch knüpft also an ein konkretes Tätigkeitsverbot gegenüber einzelnen oder mehreren Mitarbeitern an. Dies wäre z. B. gegeben, wenn ein konkreter Mitarbeiter nachweislich am Corona-Virus erkrankt und daher unter Quarantäne gestellt worden ist.

6.2. Nach unserer Einschätzung bestehen derartige Ansprüche aber nicht, wenn das Unternehmen insgesamt – wie derzeit viele – seinen Betrieb aufgrund der allgemeinen behördlichen Anordnungen einstellen musste, ohne dass dies aufgrund konkreter Infektionsfälle angeordnet worden ist. Vielmehr werden diese allgemeinen Betriebsschließungen dazu führen, dass die Arbeitnehmer ihre Vergütungsansprüche grundsätzlich behalten, da solche Fälle wohl dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers des § 615 Satz 3 BGB zugewiesen werden.

Es wird zwar aktuell auch vereinzelt die Auffassung vertreten, dass auch in diesen Fällen Ansprüche nach § 56 IfSG bestehen. Wir halten dies jedoch für zu riskant, als dass sich die Unternehmen darauf verlassen sollten. Stattdessen sollte insbesondere hier auf das Mittel der Kurzarbeit zurückgegriffen werden. Zu bedenken gilt in diesem Zusammenhang, dass sich Ansprüche auf Kurzarbeitergeld und solche aus § 56 IfSG ausschließen dürften.

6.3. Sollte aber tatsächlich ein Entschädigungsanspruch eines Mitarbeiters nach § 56 IfSG dem Grunde nach bestehen, so greift dieser nur durch, wenn der Mitarbeiter nicht vorrangige Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber besitzt. Ist z. B. der Mitarbeiter durch eine tatsächliche Infektion auch arbeitsunfähig krank, so bestehen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung wie bei sonstiger Arbeitsunfähigkeit auch, die einem Entschädigungsanspruch nach dem IfSG vorgehen. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus 1978 die Auffassung vertreten, dass der einem Tätigkeitsverbot unterliegende Mitarbeiter einen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber aus § 616 BGB besitzt, der bis zu 6 Wochen andauern könne. Dieser Anspruch gehe ebenfalls dem Entschädigungsanspruch nach dem IfSG vor.

Wir halten diese Auffassung zwar für äußerst fraglich, von einer entsprechenden Haltung der Rechtsprechung muss aber derzeit ausgegangen werden.

6.4. Sofern Entschädigungsansprüche einzelner Mitarbeiter aufgrund entsprechender Tätigkeitsverbote grundsätzlich in Betracht kommen, sind sie zunächst vom Arbeitgeber zu erfüllen. Dieser hat sodann innerhalb von 3 Monaten einen Antrag auf Erstattung gegenüber der zuständigen Behörde zu stellen. In Hamburg sind dies die jeweiligen Bezirksämter, in Schleswig-Holstein das Landesamt für soziale Dienste in Schleswig sowie in Niedersachsen die jeweiligen Gesundheitsämter. Die Antragsformulare sind dort online abrufbar.


Wie so oft sind aber viele Antworten letztlich vom konkreten Einzelfall abhängig, so dass in Zweifelsfällen rechtlicher Rat in Anspruch genommen werden sollte.

 

Bild: ©pixaby

Ingolf F. Kropp

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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