Dr. Hermann Lindhorst
Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-, Urheber- und Medienrecht, Fachanwalt für Sportrecht
Wer kennt nicht das Problem, dass Versicherungen zunächst umfangreiche und zeitlich intensive Prüfungen durchführen, bevor sie Versicherungsleistungen erbringen?
Insbesondere bei den neuerdings sehr beliebten Zahnzusatzversicherungen, aber auch und gerade bei Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherungen kommt es immer wieder vor, dass den Versicherungsnehmern Ermächtigungen vorgelegt werden, die die Versicherung in die Lage versetzen, eine Vielzahl von höchstpersönlichen Daten abzufragen, ohne dass eine Eingrenzung auf Informationen erfolgt, die für diese Leistungsprüfung tatsächlich relevant sind.
Dem hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 17.07.2013 (AZ 1 BvR 3167/08) einen Riegel vorgeschoben und das Recht des Versicherten auf informelle Selbstbestimmung erneut gestärkt, so dass allgemein gehaltene Einzelermächtigungen des Versicherers zur Anforderung von Auskünften über Gesundheitsverhältnisse, Arbeitsunfähigkeitszeiten, Behandlungsdaten oder gar die „berufliche Situation“ des Versicherungsnehmers bei behandelnden Ärzten, Krankenhäusern, Pflegepersonen, anderen Personenversicherungen oder Behörden nicht mehr unterzeichnet werden müssen.
Nachdem das Verfassungsgericht schon im Jahre 2006 entschieden hatte, dass das informelle Selbstbestimmungsrecht des Versicherungsnehmers mit dem Aufklärungsinteresse des Versicherers abzuwägen sei, hat der Gesetzgeber § 213 VVG eingeführt, wonach die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten nur im Rahmen des Erforderlichen und nur bei Einwilligung des Versicherten zulässig ist. Damit wurde die bis dahin weithin übliche, allgemein gehaltene und oft schon im Antragsformular enthaltene, „Vorabermächtigung“, die es ermöglichte, dass die Versicherung sich ohne Rückfrage beim Versicherten alle Informationen beschaffte, die zur Leistungsprüfung vermeintlich erforderlich waren, unzulässig.
Jetzt ist klar, dass auch diese Einzelermächtigungen so weitgehend konkretisiert sein müssen, dass sie sich im ersten Schritt nur auf Vorinformationen beziehen, die ausreichen, um festzustellen, welche Daten und Informationen tatsächlich zur Prüfung des Leistungsumfangs benötigt werden und erst in einem zweiten Schritt diese Informationen von den entsprechenden Ärzten, Krankenhäusern, Pflegepersonen, Behörden (insbesondere auch Krankenkassen) und anderen Personenversicherungen herausverlangt werden dürfen.
Leistet der Versicherungsnehmer einem Auskunftsverlangen der Versicherung keine Folge, kann dies nicht mehr – wie bisher üblich – als faktischer Verzicht auf die Versicherungsleistung angesehen werden, denn im Streitfall sollen die Zivilgerichte „im Dialog“ zwischen den Parteien einen Ausgleich der sich gegenüberstehenden (Grund-)Rechtspositionen gewährleisten. Dies kann nicht anders verstanden werden, als dass Streitigkeiten über den Umfang der zu erteilenden Auskünfte nicht (mehr) zum Verlust des Versicherungsanspruchs führen dürfen.
Ein wichtiger Schritt, die uferlose Offenlegung höchstpersönlicher Daten gerade auch gegenüber den Unternehmen aus der Versicherungswirtschaft, zu vermeiden!
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