Deutsches Pflichtteilsrecht trumpft (manchmal) ausländisches Erbrecht?

Bei Erbfällen mit Auslandsbezug, also wenn ein deutscher Staatsbürger im Ausland oder ein ausländischer Staatsbürger in Deutschland verstirbt, stellt sich die Frage, welches Erbrecht Anwendung findet.

Mehr Klarheit über EU-Erbrecht

Beitrag von Jakob Köster —

Diese Frage wird besonders dann relevant, wenn die in Betracht kommenden Rechtsordnungen stark unterschiedlich sind, weil zum Beispiel in der ausländischen Rechtsordnung Pflichtteilrechte ausgeschlossen oder gemeinsame Testamente formell unwirksam sind.

Zur einfachen und rechtssicheren Beantwortung dieser Frage wurde mit der EU-Erbrechtsverordnung vom 04.06.2012 versucht, eine möglichst klare Regelung zu schaffen. Diese Verordnung sieht vereinfacht zusammengefasst vor, dass ohne eine anderweitige testamentarische Bestimmung, das Erbrecht desjenigen Staates Anwendung findet, in welchem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Alternativ kann mittels eines Testaments oder Erbvertrages das Erbrecht eines anderen Staates gewählt werden, dessen Staatsbürgerschaft der Erblasser dann allerdings spätestens zum Todeszeitpunkt innehaben muss.

Verstirbt also ein englischer Staatsbürger in Deutschland, wo er bereits seit mehr als fünfzig Jahren gelebt und hat er in seinem Testament aus dem Jahr 2015 die Anwendbarkeit des englischen Erbrechts gewählt, so muss nach der EU-Erbrechtsverordnung dieses auch angewendet werden.

In einem vom Bundesgerichtshof nun entschiedenen Fall, hätte dies für einen vor langer Zeit vom Erblasser zunächst adoptierten und später enterbten Sohn bedeutet, dass er keine Pflichtteilansprüche gegen die Erben hätte geltend machen können, weil aufgrund der Rechtswahl die englische Rechtsordnung zur Anwendung kommt. Anders als das deutsche Erbrecht kennt das englische Erbrecht nämlich keine bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung am Nachlass der Eltern. Der Sohn wäre somit leer ausgegangen.

Der Bundesgerichtshof empfand hierbei die strikte Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung als unangemessen und korrekturbedürftig. Er stellte daher fest, dass eine strikte Anwendung dieser Verordnung in derartigen Konstellationen mit dem Grundgesetz und der darin verbürgten Mindestbeteiligung durch das Pflichtteilrecht unvereinbar ist. Der enterbte Sohn kann somit die nach deutschem Recht verbürgten Pflichtteilansprüche geltend machen, auch wenn das anzuwendende englische Erbrecht keine ähnlichen Ansprüche kennt.

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass es sich lohnt, in Erbfällen mit Auslandsbezug nicht aufzugeben, wenn das fremde Erbrecht besondere Rechte wie z.B. Pflichtteilrechte nicht kennt.

Gerade wenn Ansprüche in erheblichen Umfang im Raum stehen, lohnt sich eine sorgfältige Prüfung, ob das fremde Erbrecht mit dem Grundgesetz und dem deutschen Erbrecht vereinbar ist oder nicht. Die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigt diese Prüfung. Sprechen Sie uns hierzu gerne an!

Bild: ©pixaby

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