Grenzen des Formalismus im Vergabeverfahren

Vergabeverfahren sind geprägt von einer formellen Struktur und detaillierten Vorgaben für Angebote. Abweichungen führen hierbei schnell zu einem Ausschluss eines Angebotes. Bereits im Jahr 2019 stellte der Bundesgerichtshof jedoch klar, dass formalistische Ausschlüsse vermieden werden sollen.

Ausschluss im Vergabeverfahren

Beitrag von Lennart Holst LL.B. —

Die Teilnahme an einer Ausschreibung kann für Bieter schnell unerfreulich enden. Ein Ausschluss drohte bisher, wenn versehentlich die eigenen AGBs angehängt wurden, bei einer Position eine „0“ eingetragen wurde oder zwei Produkttypen statt einer benannt wurden. In einem richtungsweisenden Urteil entschied der Bundesgerichtshof im Jahr 2019, dass für einen möglichst umfassenden Wettbewerb der Ausschluss von Angeboten wegen „formaler Mängel“ reduziert werden solle. Der Bundesgerichtshof entschied in dem Fall im Jahr 2019, dass die versehentliche Beifügung der eigenen AGB im Wege der Aufklärung korrigiert werden könne und ein Ausschluss ohne Aufklärungsversuch rechtswidrig sei. Nach und nach häufen sich seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes die Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate, die von der bisherigen formellen Beurteilung abweichen. Im Jahr 2020 entschied zunächst der Vergabesenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf, dass die fehlende Angabe eines Nachunternehmers nicht einen Ausschluss zur Folge haben müsse, anschließend entschied der Vergabesenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Fortführung des Ansatzes des Bundesgerichtshofes, dass die Angabe bei einer Kostenposition mit „0“ nicht zwingend zum Ausschluss führen müsse. Auch hier sei eine Aufklärung möglich.

Nunmehr entschied die Vergabekammer Niedersachsen in einem Fall, in welchem zwei Produkttypen statt wie angefordert eine angegeben wurden. In dem Verfahren war die Vergabestelle der Ansicht, dass eine Aufklärung ausgeschlossen sei und ein Ausschluss zu erfolgen habe und stützte sich hierbei auf die bis 2019 gängige Rechtsprechung. Nunmehr entschied jedoch die Vergabekammer Niedersachsen, dass auch in einem solchen Fall eine Aufklärung durch die Vergabestelle möglich ist. Stück für Stück klärt sich mithin durch neue Entscheidungen, wann eine Aufklärung möglich und wann ein Ausschluss nötig ist.

Im Falle eines Ausschlusses durch falsche, widersprüchliche oder zusätzliche Angaben in einem Angebot ist mithin nicht mehr Hopfen und Malz verloren. Es sollte stattdessen geprüft werden, ob der Ausschluss geboten war, oder ob eine Aufklärung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hätte erfolgen müssen. Vorzugswürdig bleibt selbstverständlich, die Situation ganz zu vermeiden und vor der Abgabe des Angebots zu prüfen, ob die Angaben zu einem Ausschluss führen könnten.

Bild: ©Pixabay

Lennart Holst LL.B.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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