Immobilienübertragung gegen Pflegeleistungen

Fast jeder möchte im Alter in seiner gewohnten Umgebung bleiben und möglichst Zuhause von vertrauten Personen liebevoll und fürsorglich betreut und gepflegt werden. Für die Pflegenden bedeutet nicht selten die Möglichkeit, eine Immobilie zu erwerben, die sie sich aus eigenen Einkommen vielleicht gar nicht leisten könnten.

Zerrüttete Beziehungen in Pflegefällen

Partner-Beitrag von Sabine Münzel —

Das Eigentum an der Immobilie wird zu diesem Zweck bereits zu Lebzeiten unter Vorbehalt von Wohn- oder Nießbrauchrechten und gegen Vereinbarung von Pflegeleistungen im Bedarfsfall auf einen nahestehenden Verwandten oder sonstige nahestehende Personen übertragen.

Die Gestaltung dieser notariellen Verträge ist deshalb sehr komplex und schwierig, weil eine Vielzahl von Problemen sich erst zeigen, wenn der Pflegefall eingetreten ist oder sich die Umstände anders entwickeln, als die Vertragsschließenden erwartet haben.

Der oder die Pflegende könnte zum Beispiel selbst erkranken oder gar versterben, oder mit der konkreten Pflege völlig überfordert sein. Auch können sich die Lebensumstände durch neue Partnerschaften, Umzüge, berufliche Entwicklungen seit Vertragsschluss so sehr verändert haben, dass die Pflege nicht oder nur unzureichend geleistet werden kann. Manchmal verändert sich auch das Verhalten des Pflegebedürftigen und er oder sie wird unverträglich oder aggressiv. Oder die Fürsorge erfordert, dass dem oder der Pflegebedürftigen der Führerschein abgenommen wird oder der Herd oder sonstige Gefahrenquellen ausgeschaltet
werden müssen. Fehlt die Einsicht in solche Maßnahmen, kann der Streit schnell eskalieren.

Aus solchen Situationen erwachen oft schwere persönliche Zerwürfnisse, die aufgrund zerstörten Vertrauens nicht mehr überwunden werden können und dann leider sehr häufig vor Gericht landen. Dabei sind die persönlichen Erwartungshaltungen und Motive der Vertragsparteien im Grundsatz juristisch gar nicht relevant. Aber das wechselseitige Vertrauen und die persönliche Beziehung zwischen den Vertragsparteien ist ja nun mal in solchen Fällen gerade die tatsächliche Grundlage des Übergabevertrages gewesen.

Diesem Umstand trägt eine BGH Entscheidung aus 2021 (BGH 09.07.2021 V ZR 30/20) Rechnung. Bei einem Übertragungsvertrag gegen Pflegeleistungen ist die von gegenseitigem Vertrauen getragene persönliche Beziehung im Zweifel auch im rechtlichen Sinne Geschäftsgrundlage des Vertrages, so dass bei vollständiger und unheilbarer Zerrüttung des Vertrauens und der Beziehung der Vertrag gemäß § 313 BGB anzupassen oder für die Zukunft aufzulösen ist. Die Pflegeleistungen sind bei Vertragsauflösung einzustellen und die Immobilie zurück zu übertragen.

Ob das Vertrauen unwiderruflich verloren und die Beziehungsebene zerstört sind, muss das Gericht in jedem Einzelfall prüfen. Dabei kommt es ausdrücklich nicht darauf an, welche Seite diese Zerrüttung ganz oder überwiegend verschuldet hat.

Nur wenn die Zerrüttung und der Wegfall der Geschäftsgrundlage einzig und allein (überwiegend reicht nicht) von dem pflegebedürftigen Übertragenden zu verantworten ist, bleibt der Vertrag bestehen. Die Beweislast für eine solche Ausnahme trägt aber der oder die Pflegende.

Nach dieser wichtigen Entscheidung des BGB werden künftig von den juristischen Beratern und Notaren auch Regelungen für die Fälle der späteren Zerrüttung der Beziehung in eine vorausschauende Vertragsgestaltung mit einzubeziehen sein.

Bild: ©Pixabay

Sabine Münzel

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

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