Das StaRUG, Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts

Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) stellt der Gesetzgeber dem unternehmerischen Rechtsverkehr ein völlig neues Sanierungsinstrument zur Verfügung.

Die Chance für Unternehmen und Unternehmer - Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist jetzt möglich

Gast-Beitrag von Jan Ockelmann —

Seit Beginn dieses Jahres können sich restrukturierungsfähige und nach §§ 17, 19 InsO noch nicht insolvenzantragspflichtige Unternehmen gegen den Widerstand von Minderheiten unter Vermeidung eines Insolvenzverfahrens sanieren.

Durch die weitere Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 über die präventive Restrukturierung und Insolvenz trägt der nationale Gesetzgeber nicht nur den unternehmerischen Bedürfnissen im Hinblick auf die weitreichenden Folgen der Corona-Pandemie Rechnung, sondern passt Deutschland als Sanierungsstandort den europaweit geltenden Standards an. Mit dem StaRUG-Verfahren wird die Lücke zwischen der außergerichtlichen Sanierung, die Einstimmigkeit voraussetzt, und der Sanierung per Mehrheitsentscheidung im Insolvenzplanverfahren geschlossen. Mit dem SanInsFoG treten außerdem u.a. gewichtige Änderungen betreffend der Insolvenz in Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO und die persönliche Haftung der Geschäftsleiter in Kraft, die nunmehr vereinheitlicht in § 15b der Insolvenzordnung geregelt ist.

Zum Zeitpunkt der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens muss ein Restrukturierungskonzept vorliegen und es darf noch kein Insolvenzverfahren anhängig sein. Im Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG erarbeitet das Unternehmen  einen Restrukturierungsplan. Der Planersteller kann anhand sachgerechter Kriterien entscheiden, welche Rechtsverhältnisse in der Plangestaltung berücksichtigt werden sollen. Damit gewährleistet das StaRUG eine zielgenauere Restrukturierung, als es mit einem umfassenden Insolvenzplan möglich ist. Der Restrukturierungsplan muss neben einer Vergleichsrechnung unter anderem Angaben zu den Krisenursachen enthalten und die vorgesehenen Änderungen der Rechtsstellungen von Planbetroffenen dokumentieren. Als mögliche Gestaltungsmittel bieten sich Stundungen oder ein teilweiser Forderungserlass an. Abgesehen von Arbeitnehmerforderungen und Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung sind nahezu alle Verbindlichkeiten des Unternehmens einer Gestaltung zugänglich. Auch Rechtsverhältnisse an Gegenständen aus dem Unternehmensvermögen sind grundsätzlich gestaltungsfähig, so kann beispielsweise in Vermieterpfandrechte eingegriffen werden. Da sich innerhalb des Restrukturierungsplans jede gesellschaftsrechtlich zulässige Regelung treffen lässt, ist auch das strategische Potential nicht zu unterschätzen: Gesellschafterstreitigkeiten und unternehmensinterne Blockaden können etwa im Wege einer im Plan vorgesehenen Umstrukturierung der Gesellschaft schnell und rechtssicher beseitigt werden, denn der Eingriff in Anteils- und Mitgliedschaftsrechte ist ausdrücklich möglich. Entgegen dem Regierungsentwurf des StaRUG bleibt die Beendigung gegenseitiger Verträge demgegenüber dem Insolvenzverwalter oder dem eigenverwaltenden Schuldner im Insolvenzverfahren vorbehalten.

Die Planbetroffenen sind nach ihren Rechtsstellungen in Gläubigergruppen zusammenzufassen. Die Abstimmung über den Plan findet innerhalb der jeweiligen Gruppen statt. Erforderlich ist eine ¾ Mehrheit in jeder Gruppe. Maßgeblich ist allein die Mehrheit nach der Höhe der Forderungen. Mit der gerichtlichen Bestätigung des Restrukturierungsplans treten die festgelegten Wirkungen gegenüber allen Planbetroffenen ein. Ist die erforderliche Mehrheit zustande gekommen, bindet der Plan auch die ablehnenden Gläubiger. Ferner kann das Unternehmen auf Antrag beim Restrukturierungsgericht substanzschützende Stabilisierungsanordnungen erwirken. Dadurch verhindert es, dass Gläubiger die Zwangsvollstreckung oder anderweitige Verwertung ihrer dinglichen Sicherheiten betreiben. Das Gericht kann dem Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einen Restrukturierungsbeauftragten bzw. eine Sanierungsmoderation zur Seite stellen.

Nur frühzeitig durchgeführte Restrukturierungsverfahren sind geeignet, die Zukunft eines bestandsgefährdeten Unternehmens zu sichern. Gerade im Fall von unvorhersehbaren wirtschaftlichen Bedrohungen ist schnelles Handeln geboten – noch bevor sich die Schieflage manifestiert. Das StaRUG verpflichtet die Geschäftsleiter zur Einrichtung eines Krisenfrühwarnsystems, um Bestandsrisiken frühzeitig aufzudecken. Durch ein sorgfältig dokumentiertes Krisenmanagement minimieren Geschäftsleiter zudem das Risiko einer persönlichen Haftung. Erfahrungsgemäß sollte die Sanierung eines Unternehmens unter Abwägung der Chancen und Risiken, der Wahl des richtigen Zeitpunkts und der passenden Verfahrensart rechtzeitig und professionell begleitet werden.

Jan Ockelmann

Jan Ockelmann ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und geschäftsführender Gesellschafter der SGP Schneider Geiwitz Nord Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Hamburg.

Bild: ©fotolia

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