Keinen Anspruch auf Ruhe
Ist eine Mietminderung wegen Kinderlärms zulässig? Heute entscheidet der Bundesgerichtshof. Lesen Sie zu diesem aktuellen Thema das Interview der taz mit Frau Jutta Ritthaler, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei SCHLARMANNvonGEYSO.
Mietminderung wegen Kinderlärms
taz: Frau Ritthaler, das Kinderhilfswerk befürchtet eine "fatale Signalwirkung", sollte der Bundesgerichtshof heute den Hamburger Mietern Recht geben, deren Vermieter Sie vertreten.
Jutta Ritthaler: Wir haben hier ein gesellschaftliches Problem, welches gelöst werden muss. Ich denke, dass das Urteil Auswirkungen auf zukünftige Fälle haben wird.
taz: Warum hat Ihr Mandant geklagt?
Jutta Ritthaler: Die Mieter haben 20 Prozent der Miete gemindert, weil ein Bolzplatz an ihr Grundstück grenzt. Dabei gilt seit 2011 eine Lärmschutzverordnung, die besagt, dass man bei Kinderlärm keinen Anspruch auf Ruhe hat. Der Vermieter hat das Problem, dass er keine Einflussmöglichkeiten darauf hat, was auf dem Nachbargrundstück passiert.
taz: Was fordern die Mieter?
Jutta Ritthaler: Sie wollen, dass die Lärmbelästigung beendet wird. Und wenn der Mieter meint, dass an der Mietsache ein Mangel ist, ist er berechtigt, die Miete zu mindern. Ausgenommen, und das ist hier der Streitfall, sind Dinge im menschlichen Zusammenleben, die wir ertragen müssen. Wir haben nun mal alle unsere Freiräume und irgendwo begrenzen die sich. Da muss der Gesetzgeber eine Konfliktlösung zwischen den gegenteiligen Interessen finden.
taz: Wie hätte der Vermieter aus Sicht der Mieter reagieren sollen?
Jutta Ritthaler: Auf die Stadt einwirken, dass die den Bolzplatz schließt oder versetzt. Oder technische Lösungen findet, um die Lärmbeeinträchtigung zu vermindern. Zum Beispiel ist das Tor ein Drahtgestell, und wenn da so ein harter Lederball gegen geschossen wird, dann scheppert das ziemlich. Da kann ich mir schon vorstellen, dass das, zumindest wenn ich im Sommer auf der Terrasse sitze, auf Dauer störend ist.
taz: Gibt es weitere Streitpunkte?
Jutta Ritthaler: Ja, die Mieter behaupten, dass die Lärmstörungen nicht nur im Rahmen des Schulbetriebes, sondern auch darüber hinaus auftreten. Abends und an den Wochenenden würden sich die Jugendlichen aus der Umgebung dort aufhalten, lautstark schreien und spielen. Und nun geht es eben auch darum, inwiefern man die Stadt möglicherweise dazu zwingen kann, Nutzungszeiten einzuhalten.
taz: Haben Sie häufig Klagen wegen Kinderlärms auf dem Tisch?
Jutta Ritthaler: Das ist mein täglich Brot. Es kommt schon vor, dass die Miete gemindert wird, weil die Nachbarkinder Radau machen. Es sind aber seit der Änderung im Bundesimmissionsschutzgesetz weniger geworden.
INTERVIEW: VANESSA RANFT/SOPHIA LIEBIG, Interview
Bild: © Shutterstock / Jaromir Chalabala