Stefan Grube
Diplom-Kaufmann, Steuerberater, Fachberater für Vermögens- und Finanzplanung (DStV e.V.), Fachberater für Controlling und Finanzwirtschaft (DStV e.V.)
Unverzinsliche Verbindlichkeiten sind in der Steuerbilanz mit 5,5 % abzuzinsen. Das Gebot der Abzinsung beruht auf der Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht.
Der durch die Unverzinslichkeit der Verbindlichkeit faktisch entstehende Minderaufwand wird kapitalisiert und als Ertrag vorweggenommen. Gegenläufig entsteht in den folgenden Jahren aufgrund der sich stetig verkürzenden Restlaufzeit jeweils ein Aufzinsungsaufwand, bis zum Rückzahlungszeitpunkt der Nominalwert der Verbindlichkeit erreicht ist.
Damit bewirkt die hierfür verantwortliche Vorschrift § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EstG im Ergebnis nur eine Gewinnverschiebung. Die verfassungsrechtliche Beurteilung für eine derartige temporäre Gewinnverschiebung hat sich am Maßstab der Willkürfreiheit zu messen. Laut des Finanzgerichts München bestanden im zu verhandelnden Fall für das Jahr 2013 keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift mit einem Abzinsungssatz von 5,5 %, da die einschlägigen Parameter nicht willkürlich festgelegt wurden.
Anders als beim Nachforderungszinssatz von 6 % gemäß § 233a AO, der bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in den Steuerbescheiden zur Anwendung kommt und jüngst vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beanstandet wurde, sieht auch das Finanzgericht Münster beim Abzinsungssatz von 5,5% keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn bei der Abzinsung kommt es im Gegensatz zur Verzinsung von Steuerverbindlichkeiten und –forderungen lediglich zur temporären und allenfalls in geringem Umfang zu einer endgültigen steuerlichen Belastung. Folglich sind nicht die gleichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe anzuwenden.
Ob jedoch die Fortgeltungsanordnung des Zinssatzes von 6 % gem. §§ 233a AO für den Zeitraum 2014 bis 2018 (Weiteranwendung des Gesetzes trotz Verfassungswidrigkeit) auch auf die Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten durchschlägt bleibt abzuwarten.
Gegen die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr.3 EStG ab 2014 könnte sprechen, dass eine Abzinsung sich durch folgende Maßnahmen leicht vermeiden lässt:
1. Vereinbarung eines Zinssatzes von geringfügig mehr als 0 %
2. Vereinbarung von sog. Kettendarlehen mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten, die anschließend wiederholt verlängert werden, ohne dass die Verlängerung von vornherein feststeht.
Eine zeitnahe Anpassung des Zinssatzes zur Abzinsung von Verbindlichkeiten lässt sich somit aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne weiteres ableiten, so dass auch zukünftig zinslose Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz mit 5,5 % abgezinst werden müssen.
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Diplom-Kaufmann, Steuerberater, Fachberater für Vermögens- und Finanzplanung (DStV e.V.), Fachberater für Controlling und Finanzwirtschaft (DStV e.V.)