Aylin Rommel-Oruç
Rechtsanwältin
Weltweit wird der Vaterschaftsurlaub in vielen Ländern zunehmend als wichtiger Bestandteil der Gleichstellungspolitik angesehen. Der Vaterschaftsurlaub soll den familiären Zusammenhalt in den ersten Tagen nach der Geburt des Kindes stärken und den Grundstein für eine gleichberechtigte Care-Arbeit legen.
Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Union (EU) eine Richtlinie verabschiedet, die die Mindestvoraussetzungen für den Vaterschaftsurlaub bestimmt. Danach haben die Mitgliedsstaaten den Partnern nach der Geburt ihres Kindes einen zehntägigen bezahlten Urlaub für den Vater oder den gleichgestellten zweiten Elternteil zu gewähren. Für diese bezahlte Freistellung soll zukünftig weder Urlaub noch Elternzeit in Anspruch genommen werden müssen.
Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht endete bereits im August 2022. Die EU hat deshalb schon einen Monat später ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Obwohl die Regierung bereits im Koalitionsvertrag die Einführung des Vaterschaftsurlaubes festgelegt hat, ist eine Umsetzung auch weiterhin nicht absehbar. Der entsprechende Referentenentwurf aus dem Bundesfamilienministerium befindet sich nunmehr seit Monaten in der Ressortabstimmung. Die Verzögerungen sind dabei unter anderem durch die umstrittene Finanzierung des Vorhabens bedingt.
Bereits seit März 2023 gibt es keine nennenswerten Entwicklungen im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie. Dies hat nunmehr einen Vater veranlasst, gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage auf Schadensersatz zu erheben.
Der Kläger stellte bei seinem Arbeitgeber auf Grundlage der EU-Richtlinie einen Antrag auf Vaterschaftsurlaub. Nachdem dieser vom Arbeitgeber mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage im nationalen Recht abgelehnt wurde, musste der Kläger regulär Urlaub nehmen. Dadurch ist dem Kläger ein finanzieller Nachteil entstanden. Hätte Deutschland die Richtlinie nämlich rechtzeitig umgesetzt, hätte er seinen Erholungsurlaub nicht verbrauchen müssen. Sollte der Kläger mit seiner Klage obsiegen, ist zu befürchten, dass sich viele weitere Väter der Klage anschließen und Schadensersatz verlangen werden.
Während die Umsetzung der sog. Elternstartzeit für werdende Eltern einen erheblichen Vorteil bringt, stellt diese für die Unternehmen eine weitere Herausforderung im Rahmen der ohnehin von ihnen zu beachtenden gesetzlichen Verpflichtungen dar.
Ob und wann die Einführung eines entsprechenden Gesetzes in Deutschland erfolgen wird, ist weiterhin unklar. Aufgrund des drohenden Schadensersatzes ist allerdings davon auszugehen, dass die Legislative eine gesetzliche Regelung in naher Zukunft, wahrscheinlich noch vor der gerichtlichen Entscheidung, anstreben dürfte. Wie auch immer es ausgeht, es wird deutlich, dass ein Bedürfnis nach Klarheit für Arbeitnehmer und Unternehmen besteht. Viele Unternehmen sehen sich bereits jetzt mit Anfragen durch die Arbeitnehmer konfrontiert.
Über die weitere Entwicklung der Umsetzung der Richtlinie und den damit gegebenenfalls einhergehenden neuen Anforderungen für Unternehmen werden wir Sie weiter auf dem Laufenden halten.
Rechtsanwältin