Carsten Schwerdtfeger LL.M.
Rechtsanwalt und Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
von SvG Marketing
Dies zeigt exemplarisch ein aktuell durch den Bundesfinanzhof („BFH“), dem höchsten deutschen Finanzgericht, zugunsten eines unserer Mandanten entschiedener Fall. Er hat Berührungspunkte zum Gemeinnützigkeitsrecht, zum deutschen Umsatzsteuerrecht, zum europäischen Recht und nicht zuletzt auch zum öffentlichen Recht:
Unser Mandant ist als gemeinnützig anerkannt und betreibt einen Rettungsdienst, der sowohl die eigentlichen Rettungsfahrten als auch deren Abrechnung zum Gegenstand hat. Um den Rettungsdienst möglichst wirtschaftlich zu gestalten, übernimmt unser Mandant gegen Kostenerstattung ebenfalls die Abrechnung der Rettungsfahrten für andere, gemeinnützige Einrichtungen. Während die Abrechnung des „eigenen“ Rettungsdienstes unstreitig als Teil der gemeinnützigen Tätigkeit und damit als umsatzsteuerfrei anerkannt wurde, sah das zuständige Finanzamt die Abrechnung der „fremden“ Rettungsfahrten als steuerpflichtige Dienstleistung für Dritte an und unterwarf diese der Umsatzsteuer.
In dem sich anschließenden Verfahren vor dem Finanzgericht argumentierten wir insbesondere damit, dass das wirtschaftliche, arbeitsteilige Zusammenwirken von gemeinnützigen Einrichtungen zur Entlastung des gesamten Sozialsystems beiträgt und sich auch in den aktuellen Fassungen der öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstgesetze wiederfindet. Die Abrechnung der Rettungsfahrten, auch der durch eine gemeinnützige Einrichtung für eine andere, ist ein Teil des besonders schutzwürdigen „Rettungsdienstes im weiteren Sinne“. Ergänzend verwiesen wir darauf, dass sich dieser wirtschaftliche Gedanke im Bereich der Sozialfürsorge auch in der europäischen sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie („MwStSystRL“) wiederfindet. Dabei wurde unsere Argumentation jedoch dadurch erschwert, dass das deutsche Umsatzsteuergesetz und die nationale Rechtsprechung des BFH bislang eine derart erweiternde Auslegung nicht vorsahen. Wir verwiesen darauf, dass der deutsche Gesetzgeber die MwStSystRL nicht vollständig im deutschen Gesetz umgesetzt hat und sich unser Mandant daher – am deutschen Gesetz vorbei – direkt auf die Regelungen der MwStSystRL berufen kann.
Nachdem das Finanzgericht unsere Klage in der ersten Instanz noch abgewiesen hatte, wurde unsere Position letztendlich durch den BFH (Urteil vom 24.02.2021, Aktenzeichen XI R 32/20, BeckRS 2021, 14383) bestätigt: unser Mandant kann sich direkt auf die Regelungen der europäischen MwStSystRL berufen. Seine Abrechnung von eigenen Rettungsfahrten und solchen anderer Einrichtungen ist von der Umsatzsteuer befreit.
Carsten Schwerdtfeger, Rechtsanwalt und Steuerberater bei SvG, hat das finanzgerichtliche Verfahren erfolgreich betrieben. Er schätzt das Urteil wie folgt ein: „Die Entscheidung des BFH zeigt, dass wirtschaftliche Aspekte auch im Bereich der Gemeinnützigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, wenn dadurch das Sozialsystem insgesamt entlastet werden kann. Gleichzeitig wird durch die Entscheidung veranschaulicht, dass sich die Gerichte über nationales deutsches Steuerrecht hinwegsetzen können, wenn dem höherrangiges europäisches Recht entgegensteht. Wir sind in der Lage, unsere Mandanten wirtschafts-rechtlich und steuerlich im nationalen und im europäischen Recht bei der Rechtsgestaltung, aber auch in Streitfällen erfolgreich zu begleiten.
Rechtsanwalt und Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht