Die Anforderungen an die Darlegung von Verdienstausfallschäden bei Selbstständigen dürfen nicht überspannt werden

Am 19.09.2017 hat der BGH ein richtungsweisendes Urteil zur Durchsetzung von Ansprüchen auf Ersatz des Verdienstausfalls bei Selbstständigen erlassen.

BGH betont

Der von SCHLARMANNvonGEYSO vertretene selbstständige Zahnarzt erlitt bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall im Jahr 2006 eine Verletzung am linken Handgelenk, die zu einer dauerhaften Funktionsminderung der Hand führte. Da er seine zahnärztliche Tätigkeit zeitweise gar nicht und im Übrigen schmerzbedingt nur noch in verringertem Umfang ausüben kann, macht er gegenüber dem Unfallverursacher, dem Fahrzeughalter und dessen Haftpflichtversicherung u.a. Verdienstausfall für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und die verbliebene Funktionsminderung seiner Hand geltend. Zum Nachweis legte er Gewinnermittlungen der betreffenden Jahre, Steuererklärungen, Festsetzungsbescheide des Finanzamtes und vertragszahnärztliche Quartalsabrechnungen vor. Aus den Gewinnermittlungen ergab sich dabei für die beiden ersten auf das Schadensereignis entfallenden Jahre kein signifikanter Gewinnrückgang. Das Landgericht und das Oberlandesgericht wiesen daraufhin den Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls hinsichtlich der verbliebenen Funktionsminderung ab. Zur Begründung führten sie u. a. aus, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen ein Verdienstausfall

nicht ersehen lasse und mangels eines ausreichenden zeitlichen Zusammenhangs Gewinneinbußen in den auf die ersten beiden Jahre folgenden Zeiträumen nicht mehr auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten. Zu Unrecht, wie der BGH nun bestätigte: Zum einen könne ein Verdienstausfall auch dann entstehen, wenn (noch) kein signifikanter Gewinnrückgang zu verzeichnen sei und vielmehr (nur) ohne die Schädigung zu erwartende (gesteigerte) Gewinne nicht generiert werden konnten. Das Gericht müsse daher prüfen, wie sich das vom selbstständig Tätigen betriebene Unternehmen ohne Unfall voraussichtlich entwickelt hätte. Dabei dürften an die dem Kläger obliegende Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden.

Zum anderen sei es keineswegs ausgeschlossen, dass sich die verbliebenen Funktionsminderungen erst geraume Zeit später wirtschaftlich auswirken. Mithin sei der notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Schaden durchaus auch dann gegeben, wenn der Gewinnrückgang erst nach - wie hier - drei Jahren eintritt. Solange greifbare Anhaltspunkte für zumindest eine Schätzung des Schadens vorhanden seien, dürfe die Klage nicht wegen lückenhaften Vortrages zu Schadensentstehung und -höhe abgewiesen werden. Die vorinstanzlich befassten Gerichte hätten daher die Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag zur Entstehung eines Verdienstausfallschadens bei Selbstständigen deutlich überspannt. Danach ist festzuhalten, dass die erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen auf Ersatz des Verdienstausfalls eines Selbstständigen weder voraussetzt, dass ein Gewinnrückgang unmittelbar nach dem Unfallereignis entsteht noch dass er überhaupt eintritt. Damit schiebt der Bundesgerichtshof der Tendenz der Gerichte zur weiteren Steigerung der ohnehin schon hohen Hürden, die Selbstständige zur Darlegung ihres Verdienstausfalls überwinden müssen, einen Riegel vor. Es bleibt nur abzuwarten, wie das Berufungsgericht die Maßgabe des BGH umsetzen wird.

Ulrike Hundt-Neumann

Rechtsanwältin, Markenrechtsexpertin (Of Counsel)

Bild: © Shutterstock / Billion Photos

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