Gefahren in General- und Vorsorgevollmachten

Vollmachten und General- und Vorsorgevollmachten geraten gelegentlich in Verruf, wenn mit ihnen Missbrauch betrieben wird. Diese Missbrauchsfälle sind keineswegs eine Seltenheit, sodass im Umgang mit diesen Vollmachten und vor allem bei der Auswahl der Bevollmächtigten durchaus größte Sorgfalt geboten ist.

Der Fall des Monats aus dem Erbrecht

Partner-Beitrag von Sabine Münzel —

Allerdings können solche Vollmachten und insbesondere die General- und Vorsorgevollmachten in Kombination mit Mitleid und Hilfsbedürftigkeit eine böse und gefährliche Falle für ehrliche, gut meinende und vor allem gutgläubige Menschen sein.

Hierzu ein Beispiel aus meiner Praxis.

Frau B. ist Lehrerin und hat drei mittlerweile studierende Töchter, die sie nach ihrer Scheidung weitgehend alleine aufgezogen hat. Das Geld war nicht üppig, aber es hat für die Familie gereicht. Ein kleines Häuschen am Stadtrand von Hamburg konnte mit Hilfe einer kleinen Erbschaft der Eltern von Frau B. abbezahlt werden und Frau B. plant, im kommenden Jahr ihre Arbeitszeit zu reduzieren, damit sie sich noch mehr als bisher ehrenamtlich für benachteiligte Kinder sozial engagieren kann.

Viele Familienmitglieder sind Frau B. nicht verblieben. Es lebt aber noch der Bruder ihres Vaters und dessen Ehefrau in Düsseldorf in einem Seniorenheim. Frau B. hat eine gute und innige Beziehung zu ihrem letzten verbliebenen Onkel, der sie immer an ihren Vater erinnert. Der Onkel ist mittlerweile 87 Jahre alt, seine Frau 85 Jahre.

Das Ehepaar lebt in dem Seniorenheim in getrennten Zimmern. Beide sind körperlich beeinträchtigt; der Onkel ist gehbehindert und die Tante kann sich nur noch im Rollstuhl bewegen, aber beide sind noch voll geschäftsfähig.

In der Ehe war der Onkel stets für alle finanziellen Angelegenheiten zuständig. Er hat in seinem Leben gut verdient und die Eheleute verfügen über ein größeres Vermögen. Dieses Vermögen befindet sich im Wesentlichen bei der XY Bank auf vier verschiedenen Konten und einem Depot.

Die Tante ist in finanziellen Angelegenheiten nicht besonders geschickt, sodass sich die Eheleute darauf verständigt haben, dass sie den Onkel einfach nach Bedarf um Bargeld bittet und er es ihr, wie gewünscht und ohne Nachfrage nach der Verwendung stets ohne Weiteres aushändigt.

Die Tante hat sich noch vor ihrem Umzug in das Seniorenheim mit ihrer Reinigungskraft angefreundet und bekommt von dieser regelmäßige mehrfache wöchentliche Besuche, die die Tante sehr genießt. Ihre neue Freundin versucht, ihr möglichst alle Wünsche zu erfüllen, hört ihr extrem gut zu und lobt die Tante vor allem stets ausgiebig. Insbesondere das viele Lob und die Zugewandtheit ihrer Freundin gefallen der Tante extrem gut. Sie blüht quasi auf, was dem Onkel nicht verborgen bleibt. Die Tante genießt die Zeit mit ihrer Freundin und kann deren lobenden Worten nicht widerstehen. Auch die Freundin genießt die Zeit mit der Tante sehr, zumal diese sie immer sehr großzügig belohnt. Zwei bis drei Stunden am Nachmittag werden ihr in der Regel mit 150,00 € bis 200,00 € und einem guten Essen in dem nahe gelegenen Hotel-Restaurant vergütet.
Zusätzlich gibt es natürlich großzügige Geschenke bei Shoppingausflügen und an besonderen Tagen, wie Geburtstagen, Ostern, Weihnachten usw.

Der Onkel ist vor dem Hintergrund der sehr guten Vermögensverhältnisse im Hinblick auf die Zuwendungen an die Freundin seiner Frau sehr entspannt und freut sich, dass seiner Frau die neue Freundschaft so guttut und sie so ausgeglichen ist, wie er sie seit Jahren nicht mehr kennt. Das benötigte Geld stellt er seiner Ehefrau stets und ohne Nachfrage nach der Verwendung auf erste Anforderung zur Verfügung.

Im Dezember 2020 schlägt der Onkel seiner Nichte Frau B. am Telefon vor, ihr eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht zu erteilen. Der Onkel sorge sich um seine Frau. Wenn ihm etwas zustoße werde seine Frau das gesamte Vermögen in kürzester Zeit verschwenden und verschenken, so fürchte er. Die derzeitige gute Versorgung und die Beibehaltung des guten Lebensstandards seiner Frau wären dann gefährdet. Er vertraue seiner Nichte und bitte sie, mithilfe der General- und Vorsorgevollmacht für das Wohlergehen seiner Frau zu sorgen, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage sei.

Frau B. reist nach Düsseldorf, sie erhält vom Onkel eine erste Ausfertigung einer beurkundeten notariellen General- und Vorsorgevollmacht und in den nächsten zwei Monaten bleibt alles genau so, wie es bisher auch gelaufen ist.

Aber bereits zwei Monate nach der Erstellung der General- und Vorsorgevollmacht erleidet der Onkel einen Schlaganfall. Er erholt sich zwar etwas und kann auch wieder sprechen, aber er kann sich nicht mehr bewegen.

Die Nichte reist erneut auf seinen Wunsch hin nach Düsseldorf zu Onkel und Tante ins Seniorenheim. Als Frau B. mit ihrem Onkel in seinem Zimmer allein ist, bittet er sie eindringlich, von einem seiner Konten 230.000,00 EUR mit Hilfe der ihr erteilten General- und Vorsorgevollmacht in bar abzuheben und das Geld zu ihm ins Krankenhaus zu bringen. Er begründet diesen Wunsch damit, dass er sich sorgt, noch einmal einen Schlaganfall haben zu können oder sogar zu versterben. In dem Fall traue er den Banken nicht und wolle seiner Frau für die ersten Monate ausreichend Bargeld zur Verfügung stellen, damit diese ihr Leben, so wie sie es jetzt derzeit mit ihrer Freundin gewohnt ist, weiter gestalten kann. Es sei ja nach der von ihm für erforderlich gehaltenen Abhebung auch noch genug Geld auf den Konten vorhanden.

Zunächst hat Frau B. größte Bedenken und versucht, ihrem Onkel diese Idee auszureden. Dieser wird aber böse und verlangt von ihr, dass sie genau das macht, was er ihr vorgeschlagen hat. Es sei schließlich sein Geld und wenn er seiner Frau diesen hohen Bargeldbetrag übergeben möchte, so sei ihm auch völlig egal, ob seine Frau dieses Geld nach und nach an ihre Freundin verschenken würde, Hauptsache seiner Frau gehe es weiterhin so gut, wie gegenwärtig.

Hiervon lässt sich Frau B. erweichen. Mithilfe ihrer General- und Vorsorgevollmacht fährt sie zur Bank und hebt nach vorheriger Ankündigung und Terminsvereinbarung 230.000,00 EUR in bar von einem der Konten des Onkels ab. Die Bank versichert sich vorab telefonisch bei dem Onkel, dass die Abhebung tatsächlich auf seine Anweisung erfolgt. Auf die Frage der Bankangestellten, wofür er das Geld denn verwenden möchte, antwortet der Onkel höchst empört. "Das sei ja wohl seine Sache, was gehe die Bank denn an, wofür er das Geld verwenden wolle".

Mit dieser Antwort gibt sich die Bankangestellte zufrieden. Frau B. fühlt sich zunächst gar nicht wohl und fährt mit dem hohen Bargeldbetrag nach Hause, verpackt das Geld in mehrere Umschläge und fährt dann direkt zu dem Onkel in das Seniorenheim. Sie zählt ihm das Geld auf dem Krankenbett vor und verstaut es auf seine Anweisung in dem Schrank zwischen seinen Hosen bzw. in den Hosenbeinen seiner dort verwahrten Kleidung.

Bereits eine Woche später verstirbt der Onkel, als hätte er seinen nahen Tod erahnt. Die Nichte Frau B. fährt erneut nach Düsseldorf um die völlig aufgelöste und weinende Tante zu trösten. Sie schaut in den Schrank des Onkels, aber das Geld ist weg. Frau B. vermutet, dass der Onkel es der Tante längst übergeben hat. Sie verdrängt den fehlenden Geldbetrag und kümmert sich um die Tante und die Bestattungsanweisungen. Sie bleibt auch noch ein paar Tage und regelt alle Angelegenheiten, die mit dem Erbfall in Verbindung stehen und bringt das wechselseitige Ehegattentestament aus dem Besitz der Tante zum Nachlassgericht, wo es dann später ordnungsgemäß eröffnet wird. Von den vorhandenen Nachlasskonten bezahlt sie die Bestattung, die Friedhofsgebühr, den Grabstein und alle sonstigen durch den Erbfall entstandenen Kosten.

Nur drei Wochen später findet Frau B. in ihrem Briefkasten ein Schreiben eines Rechtsanwalts, in welchem sie aufgefordert wird, über alle Verfügungen, die sie von den Konten des Erblassers seit Erteilung der General- und Vorsorgevollmacht vorgenommen hat, Auskunft zu erteilen, insbesondere über die Barabhebung von 230.000,00 EUR. In einem Anschreiben wird sogleich gemutmaßt, dass sie dieses Geld für sich selbst behalten hat und ihr wird eine Frist von zwei Wochen zur Rückzahlung gewährt.

Für Frau B. bricht eine Welt zusammen. Sie gerät in Panik und befürchtet, nun ihr gesamtes Vermögen, also ihr Einfamilienhaus, zu verlieren und ihre Zukunftspläne geraten auch erheblich in Gefahr. Sie hat tatsächlich versäumt, irgendeinen Nachweis zu verlangen, dass sie das Geld dem Onkel übergeben hat und wofür er dieses Geld tatsächlich verwenden wollte.

Frau B ruft bei Ihrer Tante und fragt nach dem Geld. Die Tante erklärt, sie wisse von nichts und habe auch den fehlenden Geldbetrag nicht erhalten.

Der Ausgang dieses Falles ist für Frau B. leider nicht gut. Sie wird in erster Instanz verurteilt, den Betrag von 230.000,00 EUR an die Tante „zurückzuzahlen“. Das Urteil wird damit begründet, dass sie die Auszahlung des Bargeldes an den Onkel nicht beweisen konnte. Immerhin wird eine Strafanzeige wegen Untreue aufgrund der nicht vollkommen sicheren Beweislage von der Staatsanwaltschaft eingestellt. In diesem Zusammenhang sind Frau B. aber zusätzliche Anwaltskosten entstanden. Insgesamt muss Frau B. einen Betrag von ca. 250.000,00 EUR aufbringen und das kann sie nur, wenn sie ihr Haus verkauft und in eine Mietwohnung umzieht.

Frau B zieht sich enttäuscht zurück und gibt die Vollmacht an den Notar zurück. Als die Tante ein halbes Jahr später verstirbt, erfährt sie von einer ehemaligen Nachbarin der Tante, dass diese zu diesem Zeitpunkt nahezu vollständig mittellos war, es konnten gerade noch die Kosten für das Heim und die Bestattung bezahlt werden. Mehr war von dem Vermögen der Eheleute nicht mehr übrig.

Sicherlich ist der vorgeschilderte Fall ein krasser Fall. Aber die Fälle, in denen Bevollmächtigte Barabhebungen machen und diese nach Anweisungen des Kontoinhabers und Vollmachtgebers verwendungsgemäß weitergeben, ohne sich dafür einen Nachweis zu sichern, sind leider gar nicht selten.

Mit der Darstellung des vorstehenden Falls sollen alle gewarnt werden, die aufgrund von Vollmachten über Geld oder Wertgegenstände verfügen, ohne sich den Erhalt von dem Empfänger quittieren zu lassen. Ein solches gutgläubiges Verhalten kann, wie der geschilderte Fall zeigt, im schlimmsten Fall existenzgefährdend sein. Zumindest ist es aber höchst ärgerlich, wenn der Bevollmächtigte aus eigenem Vermögen erstatten muss, was ihm selbst tatsächlich nie zuge- flossen ist.

Bild: ©pixaby

Sabine Münzel

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

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