Gunter Troje
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist zwar auf sechs Wochen begrenzt, kann aber bereits eine erhebliche Belastung für ein Unternehmen darstellen. Noch schlimmer wird es, wenn ein Arbeitnehmer nach Ablauf der sechs Wochen eine neue Erstbescheinigung über eine weitere Erkrankung vorlegt und damit fortlaufende Vergütung verlangt.
Grund genug, sich die bestehenden Pflichten des Arbeitgebers genauer anzuschauen, um grundlose Zahlungen zu vermeiden. Dafür mag folgender Fall zur Anschauung dienen:
Die Arbeitnehmerin A war zunächst aufgrund einer Infektion für vier Wochen krankgeschrieben. Kurz vor Ende der Arbeitsunfähigkeit erlitt sie einen Unfall, infolge dessen sie mit neuer Erstbescheinigung für zusätzlich sechs, insgesamt also zehn Wochen krankgeschrieben wurde. Am Tag unmittelbar nach Ablauf der zehn Wochen unterzog sich A wegen einer anderen Erkrankung einer geplanten Operation, derentwegen eine weitere fünfwöchige Arbeitsunfähigkeit mittels neuer Erstbescheinigung attestiert wurde.
Entgeltfortzahlung erhielt sie nur für sechs Wochen. A verlangte jedoch auch für die weiteren neun Wochen Vergütung. Sie begründete dies damit, dass es sich um drei verschiedene Erkrankungen gehandelt habe, die jeweils nicht länger als sechs Wochen gedauert hätten. Sie wurde jedoch eines Besseren belehrt:
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass es für die Entgeltfortzahlung nicht auf die einzelne Krankheit, sondern vielmehr auf die sogenannte Einheit des Verhinderungsfalls ankommt. Liegt eine einheitliche Verhinderung vor, so ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auf sechs Wochen begrenzt – selbst wenn unterschiedliche Krankheiten für die Verhinderung ursächlich gewesen sind.
Daher hatte A keinen Anspruch auf Zahlung für die letzten vier Wochen der ersten insgesamt zehnwöchigen Arbeitsunfähigkeit. Denn es handelte sich ja zweifellos um eine einheitliche, nahtlose Verhinderung. Anders könnten aber die letzten fünf Wochen zu beurteilen sein, da diese ja auf einer neuen Erstbescheinigung vom Tag nach Ablauf der ersten zehn Wochen beruhten. Aber auch insoweit griff das Bundesarbeitsgericht jüngst den Arbeitgebern mit folgendem Grundsatz unter die Arme:
Besteht zwischen einer ersten und einer durch neue Erstbescheinigung attestierten weiteren Arbeitsunfähigkeit ein enger zeitlicher Zusammenhang, ist dies ein Indiz für eine einheitliche Erkrankung. Von einem solchen Zusammenhang ist auszugehen, wenn die Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.
Besteht danach ein solches Indiz, muss der Arbeitnehmer im Prozess beweisen, dass er zwischen den bescheinigten Zeiträumen tatsächlich – wenn auch nur für kurze Zeit – arbeitsfähig gewesen ist. Gelingt ihm dies nicht, besteht eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers nur für sechs Wochen.
Nach alledem kann jedem Unternehmen nur geraten werden, bei Forderungen nach einer Entgeltfortzahlung von über sechs Wochen genau zu prüfen, ob tatsächlich eine solche Pflicht besteht. Keinesfalls sollte nur wegen des Vorliegens einer neuen Erstbescheinigung automatisch gezahlt werden.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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