Testierunfähigkeit bei Alzheimerdemenz - ganz oder gar nicht

Mit einer Alzheimererkrankung geht über kurz oder lang auch der Verlust der Fähigkeit einher, wirksam ein Testament errichten zu können. Zur Absicherung der Wirksamkeit des letzten Willens sollten daher einige Dinge beachtet werden.
Rechtliche Grundlagen, Risiken und Vorsorgemöglichkeiten
Beitrag von Julia Freifrau von Harder —
Aufgrund der alternden Bevölkerung und der zunehmenden Zahl von Demenzerkrankungen – besonders vom Typ Alzheimer - wird eine Frage immer wichtiger: Wie lange ist eine Person, die an einer Demenz vom Typ Alzheimer erkrankt ist, noch in der Lage, wirksam ein Testament zu errichten?
Allgemein setzt die Fähigkeit ein Testament wirksam zu errichten voraus, dass die Bedeutung der letztwilligen Verfügung sowie deren Tragweite und Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen erkannt werden können. Genauso muss die Fähigkeit vorhanden sein, die Gründe für und gegen die Regelungen vernünftig abzuwägen und die Entscheidung hierüber, frei von den Einflüssen interessierter Dritter zu fällen. Dies ist nur dann möglich, wenn die betreffende Person Informationen noch speichern, wieder abrufen und so verarbeiten kann, dass daraus eine Entscheidung abgeleitet und umgesetzt werden kann. Diese Fähigkeiten gehen im Laufe einer Alzheimerdemenzerkrankung mit der Zeit verloren. Die Testierfähigkeit, also die Fähigkeit ein Testament wirksam zu errichten, gilt so lange als gegeben, bis das Gegenteil feststeht. Hierfür ist nicht von Belang, wie kompliziert die Regelungen im Testament sind. Auch ein schlichtes Testament, beispielsweise zu Gunsten einer Person als Alleinerben, ist sodann nicht mehr möglich. Eine nach dem Schwierigkeitsgrad der Nachfolgeregelung abgestufte Testierfähigkeit gibt es nicht. Die Testierfähigkeit ist entweder ganz oder gar nicht gegeben. Ob ein Testament selbst handschriftlich oder vor einem Notar errichtet wird ist hierfür ohne Belang. Lässt sich nicht sicher feststellen, dass eine Person nicht mehr in der Lage ist ein Testament zu errichten, verbleibt es beim Grundsatz der Testierfähigkeit.
Das Krankheitsbild der Altersdemenz ermöglicht eine Feststellung der Testierfähigkeit nur aufgrund des Gesamtverhaltens und des Gesamtbildes der Persönlichkeit zum Zeitpunkt der Erstellung des Testaments. Bei einer Demenz vom Alzheimertyp handelt es sich um eine Störung der Geistestätigkeit, die mit einem stetigen degenerativen fortschreitenden Abbauprozess verbunden ist. Ein so genannter „lichter Moment“ – also ein Moment, in dem die Person im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist – ist bei diesem Krankheitsbild praktisch ausgeschlossen. Der Verlauf entwickelt sich hier nur zum Schlechteren hin. Hierbei geht auch die Fähigkeit verloren, zukunftsorientierte Überlegungen anzustellen. Wenn die Demenzerkrankung in ein gewisses Stadiums eingetreten ist, erlebt die betroffene Person danach keine zur Testierfähigkeit ausreichenden Zeiträume mehr. Dem Betroffenen fehlt letztlich der Gesamtzusammenhang, welcher erforderlich ist, um Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können.
Auch wenn ein Testament vor einem Notar errichtetet wird, kann hierdurch in Bezug auf die Testierfähigkeit keine vollständige Absicherung erreicht werden. Zum einen sind Notare bei Zweifeln an der Testierfähigkeit nicht berechtigt, die Beurkundung abzubrechen, sondern müssen nur ihre Zweifel in der Urkunde vermerken. Dazu kommt, dass demente Menschen, auch wenn sie nicht mehr testierfähig sind, teilweise aufgrund eines früheren hohen Intelligenzniveaus und einer hohen sozialen Kompetenz noch in der Lage sind, durch eher phrasenhafte Aussagen eine gewisse Fassade aufrechtzuerhalten. Auch wenn einige Notare durch Fortbildungen dafür sensibilisiert sind, solche Verhaltensweisen zu erkennen, stellt dies im Zweifel keine hinreichende Absicherung dar. Zur Feststellung der Schwere der Krankheit gibt es verschiedene Testarten, welche zur Absicherung im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Testamentserrichtung durchgeführt werden sollten.
Der Verlust der Testierfähigkeit muss jedoch nicht mit dem Verlust der Geschäftsfähigkeit einhergehen. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass eine Person noch über die hinreichend benötigten Fähigkeiten zur Einwilligung in eine Scheidung verfügt und dennoch nicht mehr testierfähig ist. Ein Betrachtung des Zustandes der betroffenen Person im Einzelfall und zum fraglichen Zeitpunkt ist unumgänglich.
Das wirksamste Mittel gegen die Gefahr, ein im Ergebnis unwirksames Testament zu errichten, bleibt die rechtzeitige Vorsorge durch eine frühzeitige Nachlassplanung. Hierbei können gestalterische Instrumente verwendet werden, welche eine gewisse Flexibilität erhalten. Bei Fragen hierzu beraten wir Sie gerne.