Jakob Köster
Rechtsanwalt
Die nächsten Angehörigen haben bei Todesfällen nicht nur mit Trauer zu kämpfen, sondern müssen auch Entscheidungen treffen, welche weitreichende rechtliche und wirtschaftliche Folgen für sie haben können. Hierzu gehört insbesondere die Entscheidung, ob sie die Erbschaft nach dem verstorbenen Familienmitglied annehmen oder ausschlagen möchten.
Für diese Entscheidung haben potenzielle Erben leider sehr wenig Zeit. Eine Ausschlagung muss grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in welchem die potenziellen Erben Kenntnis ihrer Erbberechtigung erhalten haben, erklärt werden. Wird eine Erbschaft nicht innerhalb dieser Frist ausgeschlagen, ist sie angenommen und die Erbschaft besteht schlimmstenfalls aus Schulden.
In Fällen, in denen kaum oder nur sehr wenig Kontakt zu der verstorbenen Person bestand, ist es oft nicht möglich, sich innerhalb dieser kurzen Frist einen umfassenden Überblick über den Nachlass zu verschaffen. Viele Betroffene treffen unter dem Zeitdruck die wirtschaftlich betrachtet falsche Entscheidung und schlagen aus Angst vor Schulden das Erbe vorsorglich aus.
Wird nachträglich bekannt, dass die verstorbene Person tatsächlich doch vermögender war als ursprünglich angenommen und der Nachlass gar nicht überschuldet ist, so kann aber unter Umständen die Ausschlagungserklärung angefochten werden, um ihre rechtlichen Wirkungen zu beseitigen.
Eine Anfechtung ist allerdings nur unter engen Voraussetzungen möglich, die das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zuletzt wieder in einer Entscheidung zusammengefasst hat.
In dem gegenständlichen Fall hatte die Tochter die Erbschaft nach ihrer Mutter ausgeschlagen, zu welcher sie auch aufgrund deren Alkoholsucht, seit ihrem elften Lebensjahr keinen Kontakt mehr hatte. Sie wurde über den Todesfall nur von der Polizei informiert, welche ihr gleichzeitig über die unaufgeräumten und chaotischen Zustände in der Wohnung ihrer Mutter in einer schlechten Wohngegend berichtete. Aufgrund dieser Schilderungen und eigenen Recherchen ging die Tochter davon aus, dass ihre Mutter endgültig in die Vermögenslosigkeit abgerutscht sein musste. Sie entschloss sich daher die Erbschaft auszuschlagen.
Diese Entscheidung stellte sich später als falsch heraus, als ihr mitgeteilt wurde, dass tatsächlich ein Kontoguthaben in fünfstelliger Höhe vorhanden ist. Die Tochter erklärte die Anfechtung ihrer Ausschlagung und war damit im Ergebnis in zweiter Instanz auch erfolgreich.
Das Oberlandesgericht führte dabei aus, dass die Anfechtung der Ausschlagung insbesondere dann möglich ist, wenn ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses vorlag. Hierbei stellt der Wert des Nachlasses aber keine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. Ein Irrtum liegt aber dann vor, wenn die Ausschlagung aufgrund falscher Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses erfolgt. Dies ist nach Auffassung des Gerichts dann zu bejahen, wenn der Erbe die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten über die Zusammensetzung des Nachlasses genutzt und die Zusammensetzung des Nachlasses trotzdem falsch eingeschätzt hat.
Ein zur Ausschlagung berechtigender Irrtum liegt jedoch nicht vor, wenn der Erbe seine Entscheidung rein spekulativ und aufgrund von Vermutungen trifft.
Ausgehend hiervon gelangte das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass die Tochter sich über die konkrete Zusammensetzung des Nachlasses, nämlich über das Vorhandensein von Geldvermögen geirrt hatte und ihre Anfechtung daher berechtigt war.
Die Tochter hatte in diesem Fall Erfolg und konnte das Erbe antreten. Aus dem Urteil ist zu schließen, dass Erbschaften immer nur aufgrund sorgfältiger Überlegung und rechtlicher Prüfung ausgeschlagen werden sollten. Andernfalls kann eine voreilige Ausschlagungserklärung einen endgültigen Verlust bedeuten. Sprechen Sie uns gerne an!
Rechtsanwalt