Was ist schon gerecht?

Insbesondere im Erbrecht wird der Gerechtigkeitsnerv oftmals sehr gereizt und manchmal entsteht daraus eine Entzündung.

Das subjektive Empfinden von Gerechtigkeit im Erbrecht

Partner-Beitrag von Sabine Münzel —

Wer schon einmal in eine erbrechtliche Auseinandersetzung verwickelt war, wird wissen, was ich meine, denn hinter jeder Erbstreitigkeit steht immer auch eine Familiengeschichte.

Das Gefühl, durch Angehörige Unrecht erlitten zu haben, kann ein ganzes Leben überschatten.

Ein Beispiel:

Eltern behandeln zwei gemeinsame Kinder völlig unterschiedlich. Kind 1 bekommt großzügige Schenkungen und wird auch noch Alleinerbe. Kind 2 hat nur noch den Anspruch auf seinen Pflichtteil.

Rechtlich dürfen die Eltern das, aber:

Kind 2: Das ist ungerecht, ich bin genauso ein Kind meiner Eltern wie Kind 1.

Vater: Wir haben unser Vermögen selbst erarbeitet und können damit machen, was wir wollen.

Kind 1: Ich habe mich immer und über so viele Jahre fürsorglich und zuverlässig um unsere Eltern gekümmert. Deshalb steht mir auch mehr zu.

Kind 2: Kind 1 hat doch schon Schenkungen bekommen. Außerdem musste ich immer arbeiten, wohne weiter entfernt und konnte mich daher gar nicht in gleicher Weise um unsere Eltern kümmern; aber vermutlich lieben sie Kind 1 mehr als mich.

Kind 1: Ich konnte doch gar nicht in vollem Umfang erwerbstätig sein, weil ich mich um unsere Eltern kümmern musste. Ist doch nur gerecht, wenn ich dafür einen finanziellen Ausgleich bekomme und die Eltern mich mehr lieben.

Mutter: Wir lieben beide Kinder gleich, aber Kind 1 soll mehr bekommen,weil Kind 2 durch seine erfolgreiche Erwerbstätigkeit bereits bestens versorgt ist.

Kind 2: Ihr könnt mich doch nicht für meinen beruflichen Erfolg mit der Enterbung bestrafen!

Kind 1: Das ist der Wille unserer Eltern und den solltest auch Du respektieren.

Kind 2: Nein, das ist total ungerecht, ich gehe vor Gericht.

Gerechtigkeit ist also offensichtlich nicht das, was der Einzelne aus seiner Betroffenheit subjektiv empfindet, sondern vermutlich eher das, was sich unter Berücksichtigung aller subjektiver Positionen als der bestmögliche Kompromiss ergibt.

Jedem, der bei der Gestaltung seines Testaments Konflikte nach seinem Erbfall möglichst vermeiden möchte, ist gut beraten, einmal ein solches fiktives Streitgespräch mit allen Beteiligten und Familienmitgliedern gedanklich durchzuspielen.

Mit geschärftem Blick auf möglichst viele familiären Aspekte und Positionen lässt sich sicherlich auch die bestmögliche Regelung finden. Auf jeden Fall ist es von Vorteil, mit bereits klarem Problembewusstsein in die anwaltliche Beratung zur Testamentsgestaltung zu starten, denn es gibt eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, die in den meisten Fällen dem Erhalt des Familienfriedens erheblich dienen können.

Sabine Münzel

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

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